100 Jahre Internationaler Frauentag!
Wir Frauen blicken auf hundert Jahre zurück, die gekennzeichnet waren von Kämpfen und Forderungen um gleiche Rechte, Chancen und Zugang zu Bildung, Erwerbsarbeit, Ökonomie, aber auch zu Essen, zu Wasser und zur Gesundheitsversorgung u.v.m.
In Deutschland haben Frauen erreicht, dass wir das aktive und das passive Wahlrecht wahrnehmen können und Dank einer Elisabeth Selbert u. a. die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Verfassung verankert wissen. Frauen können inzwischen ohne Erlaubnis ihrer Männer einen Beruf wählen, ein eigenes Konto führen, sich aber auch von ihren Männern trennen und haben durchaus unterschiedliche Lebensentwürfe. Sie leben mit und ohne Familien, in Wohn-/Hausgemeinschaften, als Lesben, als Bi- oder Transgender people u.v.m.
Frauen sind mittlerweile im schulischen und universitären Bereich an den Männern weitgehend vorbeigezogen, und doch wissen wir um die „gläsernen Decken“ in Führungspositionen, Aufsichtsräten und um die nach wie vor völlig ungerechte Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männer in der gesamten Care Ökonomie. Frauen verfügen seltener über eine existenzsichernde Berufstätigkeit. Grund dafür ist u. a. das völlig veraltete Lebensmodell zwischen Frauen und Männern als Neben- und HauptverdienerInnen, immer noch politisch und steuerlich gestärkt durch das Ehegattensplitting. Wir sind also noch weit entfernt von Geschlechtergerechtigkeit und dem Ende von Rollenzuschreibungen!
Aber: Es gibt weder „die“ Feministin noch „die“ Migrantin noch „die“ Frau. Die Lebenssituation von Frauen unterscheiden sich aufgrund sozialer, ethnischer, aber auch kultureller, politischer und anderer Umstände, und das muss in allen unseren Überlegungen und in der Politik auch Berücksichtigung finden. Doch gibt es gemeinsame strukturelle Ungerechtigkeiten, gegen die wir Frauen zusammen arbeiten und gemeinsam kämpfen.
Wir leben im Zeitalter einer Kanzlerin in Deutschland, verfügen aber nicht über einen gleichberechtigten Zugang zur Arbeitswelt, nicht über die machtvollen Netzwerke, geschweige denn über das Vermögen von Männern. Das gilt im Norden, aber insbesondere für Frauen im Süden. Und doch gab und gibt es zahlreiche Vorbilder für uns Frauen – international – wie auch dieser Tag zeigt!
Clara Zetkin und Käte Duncker sind Initiatorinnen dieses weltweit gefeierten Tages. Sie führten 1910 den Beschluss herbei auf der zweiten sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen, dass ab 1911 ein solcher Tag eingeführt wurde.
Bereits ein Jahr später 1912 ereignete sich ein großer Textilarbeiterinnen- Streik in den USA, angeführt von Elizabeth Gurley Flynn (geb. 1890). Sie organisierte in den USA einen Arbeitskampf mit 20.000 Beteiligten, um für „Brot und Rosen“ für Frauen zu kämpfen. Auch heute noch gibt es zahlreiche Vorbilder von mutigen Frauen, die für unsere Rechte und Chancen kämpfen:
Ob es eine Violettea Delgado aus Nicaragua ist, die vorne weg sich in der autonomen Frauenbewegung Nicaraguas gegen Gewalt an Mädchen und Frauen einsetzt oder Elizabeth Khaxas aus Namibia, eine der ersten öffentlichen Protagonistinnen für Lesben und deren Rechte im südlichen Afrika oder Noushin Ahmadi Khorasani, eine Schlüsselfigur der aktuellen Frauenrechtsbewegung im Iran, die für Demonstrationen am 8. März in Teheran sorgte oder in Deutschland Renate Wurms, die den Internationalen Frauentag in den Fokus nahm in Form von Veröffentlichungen zahlreicher Bücher und als Herausgeberin einer Frauenzeitschrift – sie alle stärken uns und machen Mut im täglichen Leben/Überleben.
Darüber hinaus sollten wir m. E. auch anerkennen, dass es streitbare Frauen unter uns gibt wie Alice Schwarzer, die so wichtig sind für den politischen Diskurs und die Umsetzung von feministischen Zielen. Wer wie ich seit 25 Jahren aktiv in der Frauenbewegung mitmischt, hat unendlich viel gelernt, Erfahrungen gemacht, gekämpft, gestritten, gelacht, dabei auch manche Verletzungen davongetragen (von Männern wie Frauen), und auch selbst ausgeteilt. Aber wir sind der Geschlechtergerechtigkeit auf der Spur und: wir haben Erfolg! Die nächsten 100 Jahre warten auf das Jahrhundert der Frauen!!
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Maren Bock, Geschäftsführerin von belladonna – Frauenkultur- und bildungseinrichtung in
Bremen
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Ausstellungshinweis zum Internationalen Frauentag:
Frauenporträt-Bannerausstellung: „buten und binnen“ – Zehn internationale und deutschlandweite Aktivistinnen aus 100 Jahren.
Ab 08. März bis 20. Mai 2011 in Bremen bei belladonna – Frauenkultur- und bildungseinrichtung
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- Barbara Unmüßig-100. Jahre Internationaler Frauentag – Eine frauenpolitische Tour d' horizon
- Kurzstatement von Barbara Unmüßig
- Judy Gummich: Ich sehe noch immer nicht richtig Schwarz
- Prof. Dr. Birgit Meyer: 100 Jahre Frauentag und immer noch jung?
- Kathrin Rönicke: Dieser Tag gehört uns!
- Birgit Dederichs-Bain: Deutschland und die Frauenquote - eine unendliche Geschichte
- Judith Strohm: Eine Familiengeschichte
- Beate Müller-Gemmeke: "Frauen verdienen mehr"
- Prof. Brigitte Young, PhD und Dr. Inge Kaul: Frauentag - Trauertag
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